[1912-1997]

Conlon Nancarrow

Conlon Nancarrow (Texarkana (Arkansas), 27 oktober 1912 - Mexico-Stad, 10 augustus 1997), war ein mexikanischer Komponist US-amerikanischer Herkunft.
Nancarrow wurde bekannt mit seinen 51 Studien (studies) für Player-Piano. Der Komponist stanzte seine Kompositionen für elektro-mechanische Selbstspielklaviere direkt in die Notenrollen der Klaviere. Die starken und breiten Papierstreifen, mit denen Nancarrow die Mechanik solcher Klaviere ansteuerte, sind in etwa vergleichbar den bei älteren Computern verwendeten Lochstreifen oder -karten. So konnte Nancarrow in Hinsicht auf Tempo, Rhythmus und Metrum neuartige musikalische Strukturen realisieren, die über die manuelle Spielfähigkeit von Pianisten weit hinausgehen.
Nancarrow begann ab 1930 ein Studium am Konservatorium von Cincinnati (Trompete). Es folgte ab 1934 ein Studium in Komposition bei Walter Piston, Roger Sessions und Nicolas Slonimsky in Boston. Er war vorübergehend Mitglied der Kommunistischen Partei der USA. Anschließend reiste Nancarrow ab 1936 als Jazztrompeter auf einem Dampfer nach Europa. Er besuchte London, Paris und Deutschland. Als Soldat der Abraham-Lincoln-Brigade ging er 1937 nach Spanien und kämpfte dort im Bürgerkrieg auf republikanischer Seite. Nach der Niederlage der republikanischen Seite im spanischen Bürgerkrieg kehrte Nancarrow 1939 schwer verletzt in die USA zurück und zog dort nach New York.

Bereits ab 1938 wurden erste Werke Nancarrows publiziert. Durch einen Artikel des Komponisten Henry Cowell wurde er nach seiner Rückkehr in die USA erstmals auf die kompositorischen Möglichkeiten des Player-Pianos aufmerksam.
Ab 1940 hatte Nancarrow wie viele seiner ehemaligen Kameraden der Lincoln-Brigade zunehmend politisch motivierte Schwierigkeiten in den USA. Als man ihm den Pass entziehen wollte, verließ er die Vereinigten Staaten und zog nach Mexiko, da er nicht als „Bürger zweiter Klasse“ behandelt werden mochte.
Im Jahr 1947 kaufte sich Nancarrow in New York ein Player-Piano von AMPICO und ein Gerät zum Stanzen der zugehörigen Notenrollen. Ein Jahr später ließ er sich endgültig in Mexiko nieder. Dort begann er mit der Komposition von Stücken für das Player-Piano. 1955 Nancarrow nahm die mexikanische Staatsbürgerschaft an.
Nachdem John Cage 1960 mit der Musik Nancarrows bekannt gemacht wurde, choreografierte Merce Cunningham, mit dem Cage in dieser Zeit viel zusammenarbeitete, einige studies. Ab 1969 wurden erste Schallplattenaufnahmen mit den studies produziert. Das Label Arch Records begann 1976 mit einer Gesamtausgabe der studies (Nr. 1-41 wurden bis 1984 veröffentlicht).
1982 wurde er MacArthur Fellow. Im gleichen Jahr stellte Nancarrow, nach Vermittlung durch den ungarischen Komponisten György Ligeti, das erste Mal seine Musik persönlich und live dem europäischen Publikum vor. Ebenfalls auf Anraten von Ligeti erwarb und restaurierte Jürgen Hocker 1983 einen originalen Ampico-Bösendorfer-Selbstspielflügel, um Nancarrows Studies for Player Piano in Konzerten aufführbar zu machen.

Die erste Live-Aufführung von Nancarrows Studies erfolgte 1986 anlässlich des Holland Festivals in Anwesenheit Nancarrows. Anfangs zeigte Nancarrow sich nicht glücklich mit den Bearbeitungen von Yvar Mikhashoff für Bläser (er behauptete dass er diese Bearbeitungen nur aus Geldmangel genehmigte), aber nach dem Konzert des Niederländischen Bläser Ensembles zeigte er sich doch ergriffen und musste anerkennen, dass seine für Menschenhände unspielbar gehaltene Musik, auch live gespielt zur Geltung kam. 

Von 1987 bis 1990 folgen Konzertreisen Nancarrows mit dem Ampico-Bösendorfer Selbstspielflügel nach Köln, Hamburg, Hannover, Berlin, Wien, Paris. Anlässlich der Donaueschinger Musiktage kam es 1994 und 1997 zur Uraufführung von Nancarrows Studies for two Player Pianos. 1997 folgte die erstmalige Aufführung des Gesamtwerks Nancarrows für Player Piano anlässlich der MusikTriennale Köln durch Jürgen Hocker.
Eine CD des niederländischen Calefax Reed Quintet mit Bearbeitungen der Studies wurde von der amsterdamer Zeitung 'Parool' zur CD des Jahres 2009 gewählt.
Nancarrow wurde jahrelang als Eigenbrötler betrachtet, aber wird heut' zu Tage als einer der originellsten Geister der Musik des 20sten Jhrh. anererkannt. Györgi Ligeti lobte seine Musik als "the greatest discovery since Webern and Ives ... the best of any composer living today"
Im Jahr 1997 starb Nancarrow 84-jährig in Mexiko-Stadt. Der Nachlass von Nancarrow samt Instrumenten und seiner Stanzeinrichtung befindet sich in der Paul-Sacher-Stiftung in Basel.

Wikipedia/WH